Ein Festival mitten in einer heißen, lebensfeindlichen Staubwüste. ENDE AUGUST. Ein Festival ohne Band-Lineup, ohne vorheriges Programm, ohne Wasser, Strom, Mülltonnen, ohne Fress-, Bier- und Merchandisingverkaufsstände. Du musst für alles selbst sorgen, und anschließend auch alles wieder mitnehmen. Für Geld kannst du dort nichts kaufen. Das Ticket kostet trotzdem fünfhundert Dollar, von den tausenden Dollar für Flüge, Wohnmobilmiete und Ausrüstung ganz zu schweigen. “Das ist doch verrückt!”, höre ich einige von euch bereits rufen, und vielleicht habt ihr auch ein bisschen Recht.
Vielleicht aber auch nicht. Fast 70.000 Menschen pilgern schließlich jeden Sommer zum Burning Man-Festival in die Wüste Nevadas. Und ich war dieses Jahr eine von ihnen. Schon zum vierten Mal, genauer gesagt.
Wenn du mich jetzt fragen würdest “Wie war’s?”, dann würde ich dir nicht mit einem Wort antworten können und vermutlich auch nicht mit einem Satz, und ich würde auch mindestens zwanzig Emojis gleichzeitig benötigen.
Denn Burning Man ist ein Experiment.
Stell dir einfach vor, zehntausende von Menschen kommen irgendwo im Nirgendwo des Black Rock Desert in Nevada zusammen und bilden dort für eine Woche im Jahr eine Stadt: Black Rock City.
Sie bilden Camps mit Gleichgesinnten zu verschiedensten Themen, feiern Partys, nehmen an Workshops teil, bauen einen Tempel, fahren in umgebauten Fahrzeugen umher, schauen Kunst, verzichten auf Geld und die Konventionen der “Default World”, haben interessante Erlebnisse und Begegnungen, denn das Programm wird von allen gleichzeitig gemacht, das Programm SIND die Teilnehmer. Jeder Einzelne ist Teil dieser Experience.
Stell dir vor, du könntest für eine Woche allem entkommen und in diese verrückte, strange Welt eintauchen. Stell dir vor, du könntest wieder Kind sein, dich einfach treiben lassen, machen, worauf nur du in diesem Moment Lust hast, jeden Tag erneut staunen, neue Dinge lernen, dich inspirieren lassen, anziehen, was auch immer du möchtest. Stell dir vor, du könntest jeden Tag einfach die Person sein, die du möchtest.
Stell dir vor, du könntest einfach du selbst sein.
Dann hast du vielleicht schon eine leise Ahnung, weshalb es mich immer wieder dorthinzieht.
Neben Workshops, Partys, Gesprächen und mehr ist Kunst ein wichtiger Teil des Burning Man. Nicht nur die, die spontan vor Ort durch die Teilnehmer entsteht, sondern auch Installationen oder umgebaute Fahrzeuge. Vor den Toren der Stadt, auf der “Playa”, findest du mitten in der Wüste hunderte von oft ziemlich surreal wirkenden und meist auch interaktiven Kunstwerken, auf die du meist nur zufällig auf einer deiner Erkundungstouren stößt.
Über meine Eindrücke beim ersten Burning Man habe ich hier schon einmal geschrieben, und hier findest du Bilder vom Burning Man 2016. In diesem Post habe ich ein paar Fotos vom Burning Man 2017, Motto “Radical Ritual”, für euch, die ich noch von meinem iPhone retten konnte, bevor es auf dem Rückflug den Geist aufgab. (Vielleicht ja auch ein Zeichen…).
Burning Man 2017 – Fotos von der Playa
Auf der Playa hat man allerlei skurrile Begegnungen. Ich habe ein Pegasus-Einhorn gefunden! Und ein Piratenschiff. Oder haben sie etwa mich gefunden??
Über Aliens wundere ich mich in der Wüste Nevadas jedenfalls schon nicht mehr…
Der Tempel, immer ein Ort mit einer sehr speziellen, emotionalen Energie und einer großen Bedeutung für die Besucher. Jedes Jahr am letzten Abend wird er in einem feierlichen Zeremoniell verbrannt.
Collage oben: “Ursa Mater”, oder auch Mamma Penny Bear genannt, besteht außen ganz aus Penny-Münzen. Aus dem Kopf der Schriftstellerin im Bild daneben fliegen Vögel aus einem geöffneten Käfig. Die Künstlerin will zudem auch zum Ausdruck bringen, dass wir in der Öffentlichkeit mehr weibliche Statuen und Standbilder als Vorbilder brauchen, nicht nur männliche (das wär doch mal was!).
Mitten in der Wüste, der “Deep Playa”, stand dieses Klavier. Und er spielte einfach…
Das größte und ambitionierteste aller “Art Cars” beim Burning Man: eine Boeing 747! Und dieses Jahr war sie noch größer als im Jahr zuvor! Innen ist sie zum Lounge-Club ausgebaut. Wer hier am “Insecurity Checkpoint” eincheckt, gibt seinen “Emotional Baggage” gleich mit auf, der dann am letzten Abend mit dem Tempel rituell verbrannt wurde.
Auch das Grammophon spielte einfach, ganz weit draußen, mitten in der Wüste. Hier draußen mag “La Victrola” vielleicht bizarr wirken, doch als ich auf einer Erkundungstour mit dem Fahrrad darauf stieß, fühlte es sich auf einmal gar nicht deplatziert an. Eher wie ein Relikt einer längst vergangenen Ära, die so anders ist als unsere moderne digitalisierte Welt.
Besucher tanzen und feiern beim Kalliope Art Car, das gleichzeitig ein Club ist.
The Man. Immer steht er genau im Zentrum von Black Rock City, und immer wird er am Samstag Abend in einem großen Spektakel rituell verbrannt. Dieses Jahr hatte er eine ganz besondere Energie, das ihn umgebende Gebäude wirkte wie ein Tempel.
Von oben nach unten: Mein Lieblings-Art Car, die feuerspuckende Steampunk-Krake (“El Pulpo Mechanico”) wurde umgebaut und ist jetzt der “Rabid Transit”! Natürlich kommt auch überall Feuer raus.
Collage: Die Lichtinstallation wechselt Muster und Farben zu klassischer Musik. Das Ufo Art Car spielt Musik und spuckt ebenfalls Feuer. Im “Thunderdome” wird in Mad Max-Manier jeden Abend gegeneinander gekämpft (allerdings mit gepolsterten Schaumstoffschlägern). Der “Discofish” ist einfach eines der größten und tollsten Art Cars – bei meinem ersten Burning Man war ich sogar im Discofish Camp! Deshalb gehört eine Fahrt mit dem Fisch über die Playa für mich einfach dazu. (Und ja, natürlich hat er auch Flammenwerfer!) Dieses Jahr war es leider das letzte Mal, denn die Crew aus der Bay Area baut auch etwas Neues…
Meine liebste Kunstinstallation in diesem Jahr: der Tree of Ténéré
Er galt als der einsamste Baum der Welt. Als einziger Baum im Umkreis von 400 km stand er mitten in der Sahara – und überlebte dort jahrzehntelang, bis er von einem betrunkenen LKW-Fahrer angefahren wurde. (Wer schafft es denn bitteschön, gegen den einzigen Baum in 400km Umkreis zu fahren?).
Beim Burning Man kam er nun zurück, als einziger Baum in der Wüste, und er war wunderschön! Seine 15.000 LED-Blätter veränderten im Rhythmus von Musik, Bewegung und sogar Herzschlag die Farbe. Art Cars mit Soundsystem konnten sich mit ihm verbinden und jeden Abend zum Sonnenuntergang fanden Performances statt. Bitte komm nächstes Jahr zurück, Tree of Ténéré!
Charon (wie der Fährmann, der die Toten über den Fluss Styx zum Hades bringt). Das gigantische Rad mit den rudernden Skeletten muss von 12 Leuten mit 6 Seilen angetrieben werden, um die Animation zu starten.
Beyond the Trash Fence: Direkt nach dem Zaun beginnt die Wüstenwildnis. Unten: Der “Temple of Gravity” mit seinen tonnenschweren Granitblöcken. Sie hängen genau so hoch, dass man sich gegenseitig hochhelfen muss. Lieben Dank auch an Carina für das Bild ganz unten! <3
Love more, fear less
Mein persönliches Motto in diesem Jahr.
Was ist deins?
Aaaaahhh, du warst da? Jedes einzelne Foto ist der Wahnsinn, finde ich. Diese Stimmung! Ich habe mich schon oft gefragt, ob es wirklich so toll ist, wie die Fotos immer aussehen? Irgendwann gehe ich auch mal zum Burning Man… Hoffentlich wird man nie zu alt dafür? Denn konkrete Pläne gibt es nicht, ich finde, das muss irgendwie “passieren”
Liebe Grüsse und ich schaue bestimmt noch ein paar mal ganz fest vorbei und diese Fotos an, Miuh
Dankeschön! <3 Nein, für Burning Man wird man nie zu alt, das ist ja das Tolle! Alle Altersstufen sind vertreten. Es ist so, dass wirklich sehr viele über 30, 40... sind. Es gibt für jeden etwas, es liegt nur an dir! 🙂
How fun that you got to go here!! Burning Man is on my list of to-do’s!
http://www.littleblackshell.com
Thank you! It used to be on my list for years! And then I just went. And now I can’t stop… 😉
Hey Susi,
danke für den tollen Bericht.Da würde ich sooo gerne mal hin. Wahrscheinlich klappts dann in zwanzig Jahren 😉
Danke! <3 Warum nicht - wenn du wirklich hin magst, dann machst du es auch - so wie ich. Ob das erst in ein paar Jahren ist, ist dann auch egal! 😉 Ich freu mich jedenfalls drauf!
Ich schaue mir jedes Jahr fasziniert die Bilder vom Burning Man an und wiederhole meinen Schwur, irgendwann mal selbst dort zu sein. Es ist so wunderbar, dass es so etwas gibt. So einen kreativen, guten, bunten Ort voller Liebe – und wenn es nur ein Mal im Jahr und nur kurz ist. Ich glaube, den Spirit dort vergisst man nie. Irgendwann …!
Danke für den Eintrag, meine Augen sind grad ein bisschen größer geworden 🙂
Danke dir für deinen schönen Kommentar! “Ein kreativer, bunter Ort voller Liebe” trifft es sehr gut. Das ist es doch, was wir alle suchen. 😉
Ein sehr schöner Bericht.. Ob ich es jemals dort hin schaffe – seit Jahren höre ich davon aber die USA waren mir bisher einfach zu teuer =/ Und ich hab ein bisschen Angst, in der Wüstensonne zu verbrennen mit meiner empfindlichen Haut!
Liebe Grüße und danke für die tollen Bilder!
Ela
Danke dir! Interessanterweise habe ich beim Burning Man noch nie (!) einen Sonnenbrand bekommen, und ich hab sehr helle, sonnenempfindliche Haut! Also entweder ist das Magie, oder einfach nur der feine Staub, der sich wie eine dünne Schutzschicht auf die Haut legt. 😉 Was mir allerdings immer ziemlich zu schaffen macht, ist die Hitze tagsüber – da wünschte ich mir, es wäre einfach ein bisschen kühler!
Ein ganz wunderbarer Bericht, und so tolle Fotos.
Dankeschön
LG der Willy
Dankeschön!
Toll! Da würde ich sooo gerne mal hin
Danke dir! Ich möchte auch unbedingt wieder hin!
Die Bilder haben mich sprachlos gemacht. Hatte so das Gefühl, dass da die alt gewordene Flower Power Generation zu spüren ist. San Francisco liegt nicht weit weg.
Viel Energie und Kreativität.
Danke für den Hinweis.
Danke! Und ja, da schwingt tatsächlich der Hippie-Geist San Franciscos mit (da wurde Burning Man ja auch gegründet). Die meisten Teilnehmer sind zudem aus Kalifirnien bzw. der Bay Area. 😉 Ich liebe es jedenfalls!
Ich bin so dankbar auf diese Webseite gestoßen zu sein. Danke für die wunderbaren Einblicke.
Grüße Tilda