Irland, oder: Der Post-Reise-Blues

Kennt Ihr das, wenn man sich bei jeder Reise ein bisschen in das jeweilige Land verliebt und anschließend das Gefühl hat, man hat einen Teil von sich dort zurückgelassen? Wenn man innen drin noch ganz voll ist mit Eindrücken, aber irgendwie trotzdem leer? Wenn einem das Zuhause auf einmal ganz fremd vorkommt, man auf das Grau vor dem Fenster starrt und sich vorkommt wie in einer Zwischenwelt zwischen dort und hier, zwischen Traum und Back to Reality, gefangen in irgendeiner verflixten Matrix? Wenn der Koffer noch halb ausgepackt dasteht, man noch den Sand in den Schuhen hat oder wie in meinem Fall, im Rucksack eine Sammlung von Visitenkarten und Guinness-Merchandise?

Genauso geht es mir gerade. Ich nenne es jetzt einfach mal den „Post-Reise-Blues“, und den hatte ich schon öfter. Ich mag ihn nicht, aber er schaut trotzdem nach (fast) jeder Reise vorbei, wie ein alter Bekannter. Und diesmal habe ich den „Post-Irland-Blues“. Man könnte es auch „Reise-Kater“ nennen. (Ganz ehrlich: Wenn ich an die letzten Tage in Irland denke, ist das Wort Kater tatsächlich nicht ganz so verkehrt).

Warum hat es mich diesmal so übel erwischt? Weil ich schon fast wieder vergessen hatte, wie sehr ich Irland mag (mein letzter Besuch liegt über 10 Jahre zurück). Weil Irland Landschaften hat, die Seelenlandschaften sind. Herbst, grau, Regen, raue Küste, Depri-Stimmung im verlassenen Moor am A… der Welt mit ein paar Schafen? Ernsthaft?? JA! Keine Ahnung warum, aber es ist so. Schon immer.

Deshalb hatte ich mich auch entschieden, vor der internationalen Reiseblogger-Konferenz Travel Blog Exchange #TBEX in Dublin gemeinsam mit anderen Bloggern auf eine Tour in den hohen Nordwesten Irlands zu fahren, nach Sligo und dann noch weiter hoch bis Donegal. Bis zum nördlichsten sturmumtosten Punkt Irlands wohlgemerkt – nächster Halt Neufundland quasi. Dort, wo es kaum Touristen hinschaffen, schon gleich gar nicht um diese Jahreszeit. Wo es ein „Famine Village“ gibt, wo die Leute noch gälisch als erste Muttersprache sprechen und wo selbst Iren sagen, man könne es von der Landkarte streichen, weil da nichts geht (das wurde mir zweimal von Iren erzählt!).

Da alles ziemlich kurzfristig kam, war ich irgendwie gar nicht vorbereitet, bin einfach mal völlig erwartungsoffen hingefahren, habe mich treiben und überraschen lassen. Ich mag am Reisen das Erkunden, die Überraschungen, die kleinen Entdeckungen, die Begegnungen, das Unterwartete. Und ich wurde oft überrascht: Von Sligo, das tolle Strände hat und in Wirklichkeit ein Surfer-Hotspot ist. Davon, dass Irland selbst im Herbst immer noch grün ist. Von einem Hotel, das aussieht wie ein riesiges Herrenhaus und im 19. Jahrhundert eine berüchtigte Nervenheilanstalt war. Von einem Luxushotel, in dem jeder Gast persönlich begrüßt und wie ein Familienmitglied behandelt wird. Von Delfinen. Davon, dass die Iren tatsächlich richtig gute Singer-Songwriter sind. Davon, dass das Essen in Irland richtig köstlich ist (sogar die Fish and Chips!). Dass sogar eine Bierbanause wie ich merkt, dass das Guinness in Irland irgendwie anders schmeckt (nämlich besser!).

Aber das Beste und Überraschendste waren die Menschen. Ich bin immer noch geflasht von der Freundlichkeit und Offenheit der Iren, von ihrem Humor und der Warmherzigkeit. Und ich sage das jetzt nicht, weil ich auf sowas wie einer Pressereise war und alle Leute schließlich nett zu uns sein mussten. Nein, das ging auch später in Dublin so weiter, als ich alleine unterwegs war: von den Iren, die ich im Pub oder in der Bar kennengelernt habe bis zum Taxifahrer. Wow. Und dann sind da noch die ganzen Begegnungen mit Reisebloggern aus der ganzen Welt, das Wiedersehen mit alten Bekannten und die vielen neuen Gesichter und Stories dahinter. Der Moment, in dem man feststellt: Es gibt noch viel mehr Leute wie mich! Egal, woher jeder kommt, ob man sich gut kennt oder was jeder letztendlich für persönliche Beweggründe hat, alle verbindet das gleiche Thema, die gleiche Leidenschaft.

Leute, die verstehen. Und die vermutlich gerade alle auch am Post-Reise-Blues leiden…

Was man gegen ihn macht? Keine Ahnung. Wisst Ihr’s?? Ich vermute, es ist ein bisschen wie Liebeskummer. Man muss da durch. Zeit heilt alle Wunden und der Alltag zuhause oder die nächste Reise, das nächste Abenteuer lauern schon. Mit dem Reise-Kater ist es so ähnlich wie mit dem Kater beim Feiern: Ab und zu erwischt es Dich. Und jetzt mal ganz ehrlich: Eigentlich hast Du es ja vorher gewusst. Hat es Dich abgehalten? Nein. Wirst Du es wieder tun? Ja.

Hinweis: Vielen Dank an Fáilte Ireland, die mich nach Sligo und Donegal eingeladen haben. Alle Ansichten sind meine eigenen. Posts zu unserem Trip findet ihr unter dem Hashtag #wawnorthwest auf diversen Social Networks. Für mehr Infos zu Irland schaut www.discoverireland.ie vorbei. 

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29 Kommentare

  • Carina sagt:

    Ich kann Dich nur zu gut nachvollziehen, da es mir exakt genau so geht. Ich war nun auch zum zweiten Mal in Irland und irgendwie habe ich die Freundlichkeit der Iren total vergessen – wie konnte ich sie nur vergessen?! Sie hat mich letzte Woche ziemlich umgehauen und ich habe mich auch etwas in meinen irischen Brad Pitt Taxifahrer verliebt 😉
    Ich bin neidisch, dass Du Delphine gesehen hast! Hattest Du jetzt gar nicht erwähnt, aber ich bin trotzdem neidisch! Vor allem weil ich nicht wusste, dass sie sich in so kühlen Gewässern rumtreiben!
    Die Fotos fangen die Atmosphäre übrigens fabelhaft ein!

  • Claudia sagt:

    Schließe mich erstmal Carina an. Die Fotos spiegeln die Atmosphäre wirklich zu 100% wieder. Ansonsten kann ich auch nur zustimmend nicken und sagen das es mir genau wie euch geht. Einmal Irland und nie mehr ohne. Ein Teil bleibt immer dort.

  • Alison Chino sagt:

    Susi! I totally understand! I feel it too and just keep going back through pictures and notes. Oh, and all those brochures and business cards too.

    I feel like I left part of my heart in Ireland. 🙂

    LOVED getting to meet you and share such a wonderful journey! XOXO

  • Brendan van Son sagt:

    Not a clue what you wrote… But the photos are cool. Love the last shot! Was nice meeting you in Dublin.

    • Susi sagt:

      Haha! 🙂 It’s about the post-travel-blues that hit me hard after Ireland. Like when you’re falling a little bit in love with a country and feel like you’ve left a part of you behind… Like a travel hangover. You knew it before that it might hit you, and if it does, is it gonna stop you from traveling? No!

  • push:reset sagt:

    Und, klar: Du wirst es wieder tun. Denn du weißt, es ist ein schönes Gefühl. Eine Reise, die dieses Gefühl nicht auslöst, hat sich nicht gelohnt.

    • Susi sagt:

      Sehr guter Punkt! Es ist schön und es ist schlimm zugleich. Ich frage mich allerdings, wie oft ich das noch durchmachen muss. Und was passiert, wenn ich irgendwann überall einen Teil von mir zurückgelassen habe…

  • Tobias sagt:

    Genau! Habe übrigens auch keine Ahnung, was Irland mit uns angestellt hat, aber es hat gesessen :). Ich mag deinen Vergleich mit dem Verlieben: Fand Irland ganz grandios, kann aber kaum in Worte fassen, warum.

    Werden wir es wieder tun?! Ich sach nur: Irland auf die Bucket-List!

  • Jana sagt:

    Wow, ein sehr eindrücklicher Bericht! Zu Irland selber kann ich leider nicht so viel sagen, ich war nur einmal sehr kurz dort, aber ich erkenne Parallelen zu England 🙂
    Und unabhängig vom Land – was du über den “Reise-Kater” schreibst, kann ich absolut nachvollziehen. Ich habe immer das Gefühl, dass dies die Zeit ist, die Geist und Seele sich nehmen, um erst einmal alles zu verarbeiten und zu sortieren.

    • Susi sagt:

      Schön gesagt Jana! Ja, mir ging es mit Schottland und England (wo ich ja mal eine Zeit studiert habe) ähnlich! Müssen wohl die Seelenlandschaften sein 😉

  • I still have the blues! They don’t normally last this long but it’s not surprising considering the amazing time we had. Great post. Come to London! 🙂

    • Susi sagt:

      Haha, poor Paul! 😉 I’m actually planning to come to London! See you soon, I hope! (But please, travel blues, leave me alone on this one!)

  • nicole sagt:

    Oh das Gefühl kenn ich nur zu gut! Besonders bei Irland! Ich war vor ein paar Monaten gerade in Nordirland unterwegs und total happy + fest entschlossen spätestens im Sommer wieder zukommen. Dabei kann ich gar nicht so genau sagen , woran es liegt, aber diese Sehnsucht nach der grünen Insel und diesen herzlichen Menschen ist einfach da!

    • Susi sagt:

      Interessant, wie vielen es so geht mit Irland! Wahnsinn! In Nordirland war ich nur kurz auf dem Rückweg von Donegal nach Dublin, und würde auch gern noch einmal zurück. Bucket List 2014! 🙂

  • Laura-Lee sagt:

    Hey Susi,

    dieser Artikel spricht mir gerade so aus der Seele. Ich bin gestern aus Rom wiedergekommen und hab dort erst gemerkt, wie cool ich Dublin eigentlich fand. Also, einfach weiterreisen hilft auch nicht, wenn man sich richtig in einen Ort verliebt hat.

    Scheint wohl wirklich wie Liebeskummer zu sein…Der einzige Unterschied, ich weiß schon jetzt, dass ich definitiv wieder zurückgehen werde 😀

    • Susi sagt:

      Danke, schön, dass es nicht nur mir so geht! Ja, Du hast Recht, einfach weiterreisen hilft manchmal, aber nicht immer… ich denke, da spielen viele Faktoren mit: Das Land, die Leute, die Kultur, das Erlebte, aber eben auch die Person, die man selbst in diesem Moment war, und die man nie wieder sein wird, weil vorbei… Auch wenn man wieder zurückgeht, wird es nie wieder exakt so sein (aber vielleicht anders/noch besser??)

  • Ohja, das kenne ich auch nur zu gut! Einmal dort gewesen und du bist hin und weg. Ich bin mir sicher, dass du noch einmal nach Irland gehen wirst. 😉
    Sehr schöne Bilder!

  • Jasmin sagt:

    Oh je, GENAU SO geht es mir, wenn ich an Irland denke. Ganz. Genau. So.
    Irland ist so wunderschön, und die Menschen dort sind das i-Tüpfelchen. Wir haben uns so sehr in dieses Land verliebt… Ich freue mich, auf deinen Blog gestoßen zu sein!
    Alles Liebe. Jasmin

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