Warum ich Straßenleben mag

Ich mag Straßenleben. Also nicht das auf-der-Straße-Leben, sondern wenn sich Leben auf der Straße abspielt. Das hab ich auf meinen Reisen gemerkt, zuletzt wieder in Indonesien. Da reihen sich kleine Geschäfte, Werkstätten und Restaurants aneinander, die alle zur Straße hin offen sind. Dazu kommen fliegende Händler, fahrbare Garküchen und Verkaufsstände am Straßenrand, am frühen Morgen oder am Abend poppen dort Märkte auf und überall sind Zweiräder, Rikscha- oder Tuktuk-artige kleine Gefährte.

Generell spielt sich in Südostasien sehr viel Leben auf der Straße ab, was vermischt mit der Hitze, dem Lärm und den Gerüchen teilweise zu Reizüberflutung führt. (Ich habe ja die Theorie, dass das nur noch in Indien gesteigert werden kann, das muss ich aber noch überprüfen.) Sicher, Straßenleben kann an vielen Orten auch extrem anstrengend sein, laut, reizüberflutend, stressig, manchmal gefährlich. Auf der Fahrt quer durch Java kam es mir so vor, als würde ich stundenlang in absolut chaotischem Verkehr durch eine einzige, nicht endenwollende Ortschaft fahren, da sich entlang der Hauptstraßen auf der Insel ein Geschäft, Haus, Verkaufsstand, Warung, Moschee, Werkstatt usw. an die nächste reihte. Trotzdem wurde es nicht langweilig – es gab ja immer was zu kucken und zu entdecken.

fahrende Garküche und Pferdekarren auf Gili Trawangan

Frauen mit Opfergaben auf dem Weg zum Tempel in Ubud, Bali

Hahnenkämpfe auf Bali

Künstler auf dem Night Market in Chiang Mai, Thailand

Chaotisches Straßenleben in Bangkok

Ich mag das nicht, wenn Straßen ausgestorben sind. Wenn Städte zwar sauber und glänzend und schick wirken, aber eben zu steril, zu unbelebt. Wenn man nur in großen, klimatisierten Karren von A nach B fährt (oder fahren muss), auf den Parkplatz, rein in die Mall (Shopping Malls wirken auf mich auch total künstlich), und dann wieder raus, Parkplatz, Auto und nachhause. Am Besten alles noch mit getönten Scheiben. Das ist zwar bequem, aber auch irgendwie traurig, finde ich.

In den USA ist das ja üblich. Auch in Metropolen der arabischen Welt wie Dubai oder Muscat hatte ich den Eindruck, dass alle mit dem Auto fahren und niemand auf der Straße ist. (Gut, das könnte auch mit der krassen Hitze zu tun haben). Außer ein paar verrückten Touris (yep, hier) kommt im Sommer wohl kein normaler Mensch darauf, sich tagsüber in der Gluthitze freiwillig draußen aufzuhalten, geschweige denn irgendwohin zu Fuß zu gehen. Ist ja auch irgendwie verständlich. Aber trotzdem schade eigentlich.

Am Besten nur im klimatisierten Auto von A nach B: Dubai im Sommer

Bedrückend: das zwei Jahre nach dem Erdbeben immer noch zerstörte Stadtzentrum von Christchurch

Versteht mich nicht falsch – ich mag Leere und Weite und Einsamkeit. Aber bei Landschaften, in der Natur. Bei Städten und Ortschaften mag ich solche, in denen man viel zu Fuß erkunden kann. Tür auf und einfach drauflos, quasi. Wo es auf den Straßen was zu kucken und was zu entdecken gibt. Wo man sich leicht unter die Einheimischen mischen und sie bei ihren alltäglichen Verrichtungen beobachten kann. Wo man sich einfach treiben lassen kann. Wo es Cafés, Straßenrestaurants, Märkte, Szeneviertel, Flaniermeilen, Parks und Piazzas gibt, wo sich das Leben abspielt.

Lässt man sich auf belebten Straßen treiben, entdeckt man auch immer wieder skurrile Dinge, wie diese überdimensionierte Gummiente in Sydney:

…oder diese kleine Ikea-Weihnachtsprozession in Bangkok:

Ich frage mich ja, ob das was Kulturelles ist und quasi an meiner europäischen Herkunft liegt. Ich mag an Europa, dass in großen und kleinen Städten Menschen zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren, ihre Besorgungen in kleinen Läden und Geschäften erledigen, auf den Markt gehen, auf der Straße ein Schwätzchen halten und bei den ersten Sonnenstrahlen wie selbstverständlich in Straßencafés sitzen, dort essen und trinken. Und schauen!

Eines von zahlreichen Cafés entlang der Grachten in Amsterdam

Abends zur Aperitivo-Zeit auf der Piazza in Bologna

Vielleicht findet gerade irgendwo ein Fest statt und es spielt eine Band wie letztes Jahr in Göteborg, oder es kommt auf einmal eine Prozession um die Ecke wie zuletzt in Bali, oder man landet plötzlich mitten drin in einer Demo wie in Berlin, oder man entdeckt Streetart-Künstler in Aktion wie zuletzt in Piran in Slowenien. Und dann trinkt man einen Aperitivo auf der Piazza oder geht rüber zur Garküche oder winkt sich ein Tuktuk ran, das sich durch die Menschen und Gefährte schlängelt, vorbei an den zahlreichen kleinen Geschäften und Ständen am Straßenrand, und fühlt sich auf einmal sehr lebendig.

Wie seht ihr das?

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6 Kommentare

  • Matze sagt:

    Ja, das geht mir genauso. Ich mag das Straßentreiben besonders in Südostasien auch sehr gerne. Es ist so schön bunt, vielfältig und entdeckungsreich. Ganz anders in den USA. Erst letzte Woche wieder erlebt: Ich laufe (!) mit Freunden durch ein Wohnviertel durch Philadelphia ca. 20 Minuten zum Brunch und uns begegnet keine Menschenseele. Das finde ich traurig und daher finde ich einige amerikanische Städte einfach austauschbar.

    • Susi sagt:

      Ja, in den USA ist das echt eine ganz andere Kultur – vermutlich gefallen mir deshalb die Städte dort so gut, in denen das anders ist – San Francisco und NYC nämlich;-)

  • Anika sagt:

    Hallo Susanne, die Fotos sind wieder mal wunderbar. Besonders die Aperitivo Zeit auf der Piazza en Bologna hat es mir angetan. Sehr einladend. Aber auch die Frauen mit den Opfergaben sind sehr gut getroffen. Oder überhaupt alle – Toll. DANKE

  • Matthias sagt:

    Ich sehe das genauso wie du, Susanne. Es ist schon ziemlich irritierend durch sterile Millionenstädte wie Dubai zu spazieren und keinem anderen Fußgänger zu begegnen.

    Ich habe mir in Los Angeles einmal erlaubt einen Hotelwechsel mit öffentlichen Verkehrsmitteln vorzunehmen. Das letzte Stück von der Haltestelle bis zur Unterkunft bin ich zu Fuß gelaufen. Unglaublich, wie viele Taxifahrer mich entsetzt, fast mitleidsvoll anhupten um zu signalisieren, dass sie mich erlösen könnten. Der ungläubige Blick, nachdem ich abgewinkte, war jedes Mal Gold wert. Scheinbar unbegreiflich für die Bewohner, dass jemand freiwillig zu Fuß unterwegs ist. Und dann auch noch mit Gepäck.

    • Susi sagt:

      Danke, das freut mich, dass es Dir genauso geht! Es ist definitiv ein kultureller Unterschied. Und auch selbst in Südostasien, wo sich so viel auf der Straße abspielt, schauen alle komisch, wenn man freiwillig zu Fuß geht ;-). Irgendwie mag ich das an Europa einfach…

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