Leipzig, Hypezig, Plagwitz: von Industriekultur, Kunst und Hype

Letzte Woche führte mich der Social Travel Summit in eine Stadt, die nun schon seit einiger Zeit von diversen Medien zur Szene-Stadt deklariert wird: Leipzig. Gebetsmühlenartig wiederholte Lobeshymnen à la “wie Berlin vor zehn Jahren, nur besser” führten zu einem neuen und auch kontrovers diskutierten Hype um die Stadt, der u.a. in Kreationen wie dem Hashtag #Hypezig und den Tumblr-Blog “Hypezig – Bitte bleibt doch in Berlin” mündete.

Erkundungen im Leipziger Westen

Grund genug, mir das mal etwas genauer anzuschauen. Eigentlich kenne ich Leipzig bisher nur vom Wave-Gotik-Treffen (“WGT”) – dem größten Gothic-Festival der Welt, das schon seit den 90er Jahren jedes Jahr zu Pfingsten in Leipzig stattfindet und ebenfalls sehr zu empfehlen ist, wenn man auf abgefahrene Underground-Events steht. (Mehr zum WGT lest ihr in diesem Artikel).

Diesmal wollte ich mir neben der mittlerweile schon ziemlich durchgentrifizierten Südvorstadt um die Szenemeile “Karli” eine weitere Keimzelle von “Hypezig” genauer anschauen: Plagwitz.

Plagwitz – Keimzelle von Hypezig?

Plagwitz ist der derzeit angesagteste Stadtteil in Leipzig und liegt im Westen der Stadt. Wer heute hinfährt, findet einen Mix aus alten Fabriken und Industriebrachen, aus netten Wohnvierteln und alten Villen, Wasser und grün, alternativem Vibe und Startup-Geist.

Industriedenkmäler treffen hier auf Kunst und Kultur, altes und verlassenes auf neues, modernes.

Epizentrum dieser Entwicklung ist die Spinnerei, das alte Fabrikgelände einer ehemaligen Baumwollspinnerei, in dem heute Künstlerateliers, Werkstätten und Galerien angesiedelt sind. Besonders cool: Beim Abend-Event des #STSLeipzig in der Spinnerei konnten wir uns einige der Studios anschauen und mit den Artists in Residence sprechen, es gibt dort aber auch regelmäßig Events und Führungen.

Auf dem Gelände gibt es außerdem ein altes Kino, in dem man sich seinen eigenen Stuhl mieten und damit lebenslang freien Eintritt haben kann und eine kleine Pension mit tollen loft-artigen “Meisterzimmern” mit Aussicht und umringt von Galerien und Ateliers.



Impressionen aus der Spinnerei (v.o. nach u., l. nach r.): Werke des australischen Künstlers Stefan Dunlop, Malerin und Artist in Residence Angela Miskis, ich als schwarzer Punkt im Studio der australischen Künstlerin Frankie Morgan, die ihre Erlebnisse in Leipzig auf einer 25m langen Papierrolle festhält.

Kunst, Kultur und Kostüm im Westwerk

Das Westwerk ist ein weiteres altes Fabrikgelände in Plagwitz. Zu dem Zeitpunkt, als ich zum ersten mal dort war, hatten sich hier Künstler, Designer und Galerien angesiedelt. Es finden Partys und Events statt, die lokale “lipz” Bio-Schorle saß hier und es gab einen riesigen Second-Hand-Store und Kostümfundus, die Garderobe Leipzig. Heute gibt es im Westwerk einen Konsum Supermarkt und Gastronomie, die Szene ist weitergezogen.

Direkt neben dem Westwerk solltet ihr euch jedoch im hippen Kaiserbad mit seinem stylischen Retro-Industrieambiente stärken, im gemütlichen Biergarten des Kaiserbads am Kanal sitzen oder gegenüber des Westwerks im Café Albert bei leckerem Kaffee, Bagels und selbstgebackenen Kuchen chillen.

Streetart und Graffiti am Westwerk in Plagwitz

Anlaufstelle und Lebensader: Karl-Heine-Straße

Lebensadern und beste Anlaufstellen zum Erkunden von Plagwitz sind die Karl-Heine-Straße und die Zschochersche Straße. Es ist ein interessanter Mix aus Cafés, Kneipen und Imbissen, Geschäften des täglichen Bedarfs, Firmen und Wohnhäusern – alles wirkt irgendwie relaxt und leicht alternativ. Entlang der Karl-Heine-Straße stoße ich auch auf Graffiti-Wände, Brachliegendes und Überwuchertes, eine Wagenburg und ein Oldtimermuseum, über dem ein altes Flugzeug schwebt.

Nehmt am Besten ein Leihfahrrad oder die Straßenbahnlinie 14 vom Zentrum und steigt an der Haltestelle Felsenkeller (Ecke Karl-Heine-Str./Zschochersche Str.) oder Karl-Heine-Str./Merseburger Str. (näher am Westwerk) aus, tigert einfach mal beide Straßen entlang und haltet die Augen offen…

Wasser und grün. Bootsfahrt auf dem Kanal

Ich mag, dass Leipzig von Parks und Wasserwegen durchzogen ist; vor den Toren der Stadt liegen diverse Badeseen und renaturierte Tagebaugebiete. Und faszinierenderweise gibt es im ehemaligen Industrievorort Plagwitz ein Kanalsystem: Auf dem Karl-Heine-Kanal schippert man heute mit dem Boot an der alten Industriearchitektur vorbei, paddelt mit dem Kanu oder Kajak, und man kann sogar so ‘Venedig-des-Ostens’-mäßig mit der Gondel dahingleiten, wenn man will.

Eine Food Tour und das Verborgene Leipzig

Wer auf Reisen gerne fremde Orte mit Hilfe von Essen erkundet und auf regionale Küche, traditionelle Handwerksbetriebe, kleine Cafés und Restaurants steht, der kann sich auch auf einer Food Tour mit “Eat the World” durch Plagwitz futtern. Coole Tipps abseits der typischen Sehenswürdigkeiten habe ich auch hier bei “Verborgenes Leipzig/Hidden Leipzig” gefunden.

“Hypezig” hin oder her – mir gefallen die vielen Altbauten, die leerstehenden alten Fabriken mit Künstlern und Events, das viele Grün, die Seen und Kanäle und das alternative Flair von Leipzig – nicht nur in Plagwitz.

Und deshalb komm ich nämlich auch ganz bald zurück.

Hier geht es zu meinem ausführlichen Artikel Die besten Leipzig-Tipps für deinen Städtetrip – Szeneviertel, Industriekultur, Seen.

Hier findet ihr meinen ausführlichen Artikel zum Wave-Gotik-Treffen in Leipzig.

Was gefällt euch Leipzig? Habt ihr noch mehr spannende Leipzig-Tipps?

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16 Kommentare

  • du hast es ziemlich gut zusammengefasst. mittlerweile bewegt sich die trend-szene noch weiter im leipziger westen und erfasst weitere bereiche von plagwitz bzw. dehnt sich nach alt-lindenau aus, wo alte kaufhaus-bauten (http://www.held-leipzig.de/) zu ideen-zentren werden und ehemals vernachlässigte magistralen wie die georg-schwarz-straße wellenartig verändert werden…

    • Susi sagt:

      Oh klasse, vielen Dank – das klingt nach einem Geheimtipp für meinen nächsten Leipzig-Besuch! 😉

    • Christoph sagt:

      Weißt du schon, wann ganz bald sein wird? 😉

      Schade das immer wieder die gleichen Gegenden beschrieben werden. Natürlich ist es so, dass Schleußig, Plagwitz, Gohlis tolle Gebäude besitzen. Auch das Flair kommt dort ganz besonders zum tragen.

      Auch im Zentrum gibt es natürlich viel zu entdecken aber Leipzig bietet sogar noch viel mehr 😉

      Die Alte Messe ich beispielsweise architektonisch ebenfalls extrem interessant. Neben dem Cossi gibt es noch den Markleeberger See. Etwas weiter draußen kann man sich den Zwenkauer See anschauen und im Westen empfehle ich den Kulki. Ein herrlicher See um zu tauchen. Hat sogar bereits Auszeichnungen gewonnen, da es so klar ist.

      Lieben Gruß

      • Susi sagt:

        Vielen Dank für deine Tipps! Die Alte Messe und den Markkleeberger See kenne ich auch und kann beides empfehlen – den Rest muss ich noch abchecken! Doch zum Glück ist ja bald Pfingsten und ich bin wieder in Leipzig. 🙂

  • Toller Beitrag! Ich bin auch großer Leipzig-Fan! 🙂 Ich könnte mir sogar vorstellen, dort zu leben, wenn mir das hippe Berlin mal irgendwann auf die Nerven geht.

  • Charlotte sagt:

    Aus diesen und vielen weiteren Gründen bin ich ins schöne Leipzig gezogen. Was auch noch sehr schön, aber weit aus gediegener ist, ist der Stadtteil Gohlis. Mit schönen alten Villen und netten Restaurants. Bei schönem Wetter von Schleußig aus mit dem Rad zum Cossi fahren, es gibt kaum Schöneres. Ich kann schwer beschreiben was genau es ist, es ist einfach alles was mich in dieser Stadt glücklich macht 🙂

  • Christoph sagt:

    Hallo alle Miteinander. Zum Thema Seen kann ich http://www.leipzigseen.de/die-seen/kulkwitzer-see.html empfehlen. Exemplarisch der von mir angesprochene Kulkwitzer See.

    Wie fandest du das WGT in diesem Jahr?

    Wenn man mit offenen Augen durch die Stadtteile läuft, dann ist jedes für sich betrachtet toll. Besonders lohnenswert sind zudem die Stadtteilblogs. Davon entwickeln sich gerade vergleichsweise viele in Leipzig.

    Ich weiß nicht wie das in anderen Städten ist!?

    Lieben Gruß

    • Susi sagt:

      Hallo Christoph, danke für den Tipp mit dem See! Das mit den Stadtteilblogs hört sich auch sehr spannend an, ich bin mir sicher, das gibt es in anderen Städten nicht in der Form. Welche würdest du denn für Leipzig empfehlen?
      Das WGT fand ich dieses Jahr auch wieder sehr gut – werde in den nächsten Tagen hier im Blog einen Artikel dazu veröffentlichen!

  • Christoph sagt:

    Hey Susi, du meinst Stadteilblogs?

    Auf jeden Fall mal folgende anschauen:

    http://www.wiederitzsch-im-blick.de/ (Wiederitzsch liegt im Norden)
    http://www.stoetteritzer-storys.de/ (Stötteritz ist im Osten)
    http://www.taucha-kompakt.de/ (ganz im Westen vor den Toren der Stadt)
    http://www.schoenauerviertel.de/ (Schönau liegt im Westen von Leipzig)

    Von anderen Städten ist mir der Micro-Hournalismus so in dieser Form nicht bekannt. Nächstes Jahr wird das WGT sicherlich wieder sehr, sehr interessant. Aber rechtzeitig eine Unterkunft buchen 😉

    • Susi sagt:

      Vielen Dank für die Blogs! (Die Stadtteile kenne ich noch gar nicht!). Ja, ich freue mich schon sehr auf das nächste WGT (mein Bericht von 2015 ist auch online) und bin schon auf der Suche nach einer Unterkunft für nächstes Jahr. 😉

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